Der Fluch der digitalen Fotografie:
Speicherkarten sind günstig, man verliert den Respekt vor dem Auslöser – man kann es ja hinterher wieder löschen…
Und da haben wir wieder das Problem mit der Selbstdisziplin… man KANN es hinterher wieder löschen… MACHT es aber viel zu selten.
Doch wozu spreche ich das Thema eigentlich an?
Man sollte sich eigentlich immer vor Augen halten, dass:
- man bei einer großen Bildermenge schnell den Fokus verliert und man lange braucht, um das gelungenste Bild eines Motives herauszusuchen
- zu viele Bilder (und vor allem mehrfach das gleiche Motiv) auf den Betrachter schnell langweilig wirken
- wenn man nicht (oder zumindestens nicht ausschließlich) in JPG fotografiert, sondern (auch) die RAW-Bilder speichert, wird es bei 24 Megapixel doch schnell wieder relevant, ob ich 50 oder 500 Bilder archivieren möchte… ich persönlich habe meine Kamera z.B. fast immer auf RAW+JPEG eingestellt, da ich zwar nicht alle Bilder aus dem RAW entwickeln möchte, aber trotzdem für den Fall der Fälle das RAW haben möchte, um bei misslungendem Weißabgleich oder Bildern mit hohem Dynamik-Umfang das Bild, was als JPG vielleicht Schrott ist, doch noch retten zu können.
Was sollte das Ziel sein?
Wenn man jemandem seine Bilder zeigen möchte, so sollte man die Anzahl auf 70 bis maximal ca. 100 Bilder beschränken… bei allem, was drüber ist, sinkt die Aufmerksamkeitskurve spürbar… so zumindestens meine Erfahrung, wenn ich A) selbst große Foto-Massen durchschau und B) mich nicht von Bildern trennen konnte und somit anderen eine zu große Bilder-Sammlung zeigen wollte…
Qualität statt Quantität…
Aber warum fällt es uns so schwer, auszusortieren?
Mit jedem Bild, dass wir schießen, verbinden wir Erinnerungen und Emotionen – somit haben unsere Bilder für uns persönlich einen höheren emotionalen Wert als für den Betrachter, der nicht dabei war und das Bild wesentlich nüchterner betrachtet.
Wie trenne ich mich nun am besten von Fotos?
Ich persönlich gehe da folgendermaßen vor:
1.) frühzeitig Duplikate löschen
Alles, was einmal im Rechner landet, hat bei mir Potential, nie wieder gelöscht zu werden…
Daher schaue ich mir nach einem foto-reichen Tag (oftmals auch schon zwischendurch, wenn ich mal ein paar Minuten nichts zu tun habe) die Bilder auf der Kamera durch und versuche bei doppelten/mehrfachen Motiven das Beste herauszusuchen… Dabei vergleiche ich bei allen Bildern, ob die Schärfen-Ebene korrekt sitzt; schau, ob es irgendwelche störenden Elemente im Hintergrund gibt; wie bei Personen der Gesichtsausdruck ist; wie die Bildaufteilung allgemein so ist; usw.
Gerade bei Konzert-Fotografie, wo sich die Motive schnell bewegen und das oftmals bei viel zu schwach ausgeleuchteten Bühnen, greife ich gerne mal auf die Serienbild-Funktion zurück, in der Hoffnung, dass der Sänger (oder Drummer) wenigstens auf einem der Bilder mal nicht total in der Bewegungsunschärfe verschwimmt… da gibt es oft Einiges auszusortieren…
(mit Bassisten hat man dagegen weit weniger Probleme – sie entsprechen meist dem Cliché und bewegen sich auf der Bühne kaum – für Fotografen ein Segen :-D)
2.) Zeit vergehen lassen und nochmals aussortieren
Je mehr Zeit zwischen der Aufnahme und dem Betrachten vergangen ist, desto mehr nimmt die emotionale Bindung zu einem Bild ab und es fällt einem leichter, ein Bild auch einfach zu löschen…
Je nachdem, wie dringend ich die Bilder brauche, geschieht dies entweder auch nach 14 Tagen noch auf der Kamera oder schon nach ein paar Tagen am Rechner…
3.) Auswahl und Bearbeitung für Veröffentlichung
Ich habe nun 2 oder 3 (vielleicht auch mal 4) Aussortier-Runden hinter mir – alles, was jetzt noch auf der Festplatte liegt, ist meiner Meinung nach gut genug, um nicht gelöscht zu werden… aber oftmals immernoch zu viel, um es anderen zu zeigen.
Da ich auch nie die vollen 16 oder 24 Megapixel weitergebe (nur einzelne auf Wunsch), ist es nun an der Zeit, die Bilder erst einmal zu verkleinern – meist auf längere Seite = 2000px.
Als überzeugter Linux-Nutzer geht das natürlich völlig automatisiert mit einem Bash-Script, welches sich dem convert-Befehl aus dem imagemagick-Paket bedient. Einmal auf der Konsole angeschmissen, nimmt es alle JPEG-Bilder des Ordners und legt die verkleinerten Bilder in einem Unterordner ab.
Nun schau ich mir die Bilder in diesem Verzeichnis im Bildbetrachtungsprogramm an und lösche alle raus, die nicht unbedingt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen…
Sei es, weil der Informations-Mehrwert des Bildes mir nicht hoch genug ist oder weil da (z.B. wenn ich auf Mittelalter-Märkten fotografiere) Personen, die nicht vorher gefragt wurden, zu sehr bild-bestimmend sind und somit rechtlich die Möglichkeit besteht, dass ich unzulässig in das Persönlichkeitsrecht Anderer eingreife (z.B. habe ich total schöne Bilder, wo ein Kind mit Plastikschwert gegen einen Ritter kämpft… die Gesichtsausdrücke des Kindes sind einfach herrlich… ich werde diese nahezu Portrait-Aufnahmen aber niemals veröffentlichen, da ich auf dem Markt nicht die Erziehungsberechtigten ausfindig machen konnte, um mir ihr Einverständnis geben zu lassen…)
Bei dieser Aussortier-Runde stelle ich mir zum Einen ein festes Limit (dass also nur die 30/50/70 besten Bilder übrig bleiben sollen), zum Anderen schaue ich die Bilder mit der Frage im Hinterkopf an, was ich noch verbessern kann, wenn ich sie aus dem RAW heraus nochmal entwickle?!
4.) große Bilder-Mengen von vorn herein vermeiden üben!
Ich gebe zu, es gelingt mir selbst häufig nicht… aber ab und zu frage ich mich auch vor dem Fotografieren schon „Kann das überhaupt ein gutes Bild werden?“ und wenn nicht, dann lass ich es…
Besonders bei Fotos auf Mittelaltermärkten passiert es mir immer wieder, dass ich – obwohl ich (da ich selbst als Musiker dort bin) das ganze Wochenende die Möglichkeit habe, regelmäßig den Fehler mache, in die eingangs beschriebene Mentalität zurück zu fallen: „was man hat, das hat man – wenn sich später was Besseres ergibt mach ich noch eins…“
Wenn ich z.B. weiß, eine Band spielt vormittags ein Set und nachmittags und abends nochmals, dann brauch ich nicht am Vormittag bei stark bedecktem Himmel auf Teufel-komm-raus versuchen, gute Bilder hinzubekommen… ein bischen „einschießen“: ja – aber hunderte Bilder, um irgendwas brauchbares zu bekommen… die Mühe kann man sich eigentlich sparen…
Leider muss ich mich auch selbst immer wieder daran erinnern und oft genug hab ich hinterher einen Bilder-Haufen, der einige gute Momente eingefangen hat, aber von der Licht-Stimmung her nicht ausreicht, um in die Auswahl für die Veröffentlichung zu kommen… Bilder, die ich nicht zeigen möchte, es aber auch nicht über’s Herz bringe, sie zu löschen, weil sie mir dazu nicht schlecht genug sind…
Mit etwas mehr Selbstdisziplin bringt man sich selbst erst gar nicht in diese Lage und lässt die Kamera einfach mal stecken und genießt stattdessen die Show… eigentlich eine Win-Win-Situation…
Soo… das war nun meine Art, mit den Bilder-Massen umzugehen… wie macht ihr das so?
Schreibt es mir gerne in die Comments!